Stadt und Land: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsszenarien
Der Pfad der Dialektik. Städte sind die Schmelztiegel der Zivilisation, die Drehscheiben der Innovation, Motoren für die Schaffung von Wohlstand, die Zentren der Macht und Magneten, die die kreativen Individuen anziehen. Aber mit Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Städte und die globale Urbanisierung zur Quelle der größten Probleme geworden, vor die die Menschen den Planeten gestellt haben, seit sie gesellige Wesen sind. Die langfristige Zukunftsfähigkeit der Menschheit und des Planeten ist untrennbar mit dem Schicksal unserer Städte verbunden (vgl. West 2019: 331). Aber die Stadt ist kein autonomes und autarkes Gebilde: Im Gegenteil, sie ist völlig abhängig von der Umgebung, in der sie entstand, wuchs und sich über die Jahrtausende hinaus entwickelt hat. Ihre eigene intrinsische Wachstums- und Weiterentwicklungsfähigkeit hängt von der Umgebung ab.
Nicht nur in den Städten, sondern ebenso in den ländlichen Gebieten vollziehen sich rasante Veränderungen: Obwohl sie nicht in Sichtweite sind, unterliegen auch diese Gebiete einem drastischen Wandel. In einer historischen Periode, die vieles infrage stellt, ist es zweckmäßig, die Beziehung zwischen Stadt und Land zu überdenken. Diese Beziehung ist nach Jahren unausgewogenen und selbstzerstörerischen Verhältnisse auf der Suche nach Stabilität. In der Zeit der VUCA (volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) wie der Futurologe Gerd Leonhard es beschrieben hat, schien es mir nötig, zuerst den historischen Pfad dieser Dialektik zu untersuchen, bevor ich mich der Gegenwart widmete. Denn, wie Niklas Luhmann suggeriert, „wenn es schwierig ist, einen Gedanken oder einen Begriff inhaltlich zu fixieren, beginnt man am besten mit einer historischen Einleitung. Dann sieht man wenigstens, was sich schon erledigt hat“ (Luhmann 1988: 15, Göttlich und Kurt 2012: 82).
Diese Arbeit gliedert sich in zwei Teile: Der erste Teil ist analytisch und theoretisch und schaut in die Vergangenheit, der zweite Teil ist praktisch und synthetisch und blickt in die Zukunft.